Arbeit, die Spaß macht oder Pflege-Notstand?

Gerade im Bereich Altenpflege verbirgt sich ein wunderbares Beispiel für einen Wandel.

Wir wissen alle: es gibt zu wenig Pflegekräfte, deren Belastung ist hoch, Zeit für Kontakt zu Patienten ist kaum da, und die Tätigkeit wird schlecht bezahlt.
Wollen wir so arbeiten? – Wollen wir unsere Eltern so (schlecht) versorgt wissen? – Oder uns selbst irgendwann?
Sicher nicht. Deshalb: Es ist Zeit für Neues!

Umstrukturierung des Pflegebereichs – ein Pionier zeigt wie es geht

Da ist guter Rat teuer. Dabei gibt es schon einen Pionier, der in den Niederlanden den ganzen Pflege-Bereich revolutioniert hat, indem er 2006 einfach losgelegt hat: Jos de Blok. Ihm gefiel die Tätigkeit in der Pflege und die Rahmenbedingungen dafür nicht mehr, da gründete er den kleinen Pflegedienst Buurtzorg („Nachbarschaftshilfe“), der gänzlich anders tickte.
Es gab in den Niederlanden ähnlich schlechte Ausgangsbedingungen wie in Deutschland heute. Und mit Blick auf das etablierte Gesundheitssystem und die Krankenkassen war der neue Weg wahrlich heldenhaft. Aber die Ergebnisse überzeugten.Inzwischen deckt deshalb der ambulante Pflegedienst Buurtzorg 40 Prozent des holländischen Marktes ab. Und das, obwohl Buurtzorg kein wachstumsorientiertes Unternehmen ist und stets versucht, sich im Leben der Patienten so schnell wie möglich überflüssig zu machen. Aber er ist bei Angehörigen, älteren Menschen und Pflegenden gleichermaßen beliebt, weil er den Menschen und den Pflegenden ihre Würde und die Freude an der pflegenden Tätigkeit wiedergibt.

Bescheinigter Erfolg

Der Erfolg gibt dem Konzept recht: eine Studie von Ernst & Young zeigt 2010, dass die Buurtzorg-Patienten dem Gesundheitssystem 40% der Kosten einsparen.
Und eine KPBM-Studie beschrieb 2012, dass durch die ganzheitliche Betreuung sowohl die Patienten und Mitarbeitenden zufriedener seien und trotz höherer Stundensätze im Endeffekt deshalb 50% weniger Stundenaufwand pro Pflegefall nötig war.

Was steckt dahinter? Wie geht das?

Die Abrechnung nach Leistungen –  Duschen, Verband wechseln – also möglichst viele Leistungen abrechnen und die deshalb bitte schnell, schnell durchführen…..all das gehört bei buurtzorg der Vergangenheit an.
Bei Buurtzorg wird pauschal nach Zeit abgerechnet, aber die darf der Pflegende je nach eigener Einschätzung mit dem Patienten verbringen – dazu gehört auch ein Spaziergang zur Parkbank oder ein Gespräch. Recht ist alles, was dem Patienten auf dem Weg zur jeweiligen Eigenständigkeit am besten dient. Es gibt keine äußeren Zielvorgaben, keine Chefs, keine Job-Titel bei Buurtzorg, sondern sich selbst organisierende und beratende Teams.

Initiativen in Deutschland

Aktuell sind zwei Initiativen dabei, diese Pflege-Revolution auch in Deutschland möglich zu machen:
– Uta Kirchner mit ihren Angeboten und AUGENHÖHE-Pflegecamps in Berlin: www.buurtzorg-in-deutschland.org
Vita-Akademie in Niedersachsen, die sich mit dem Projekt „Weitblick Pflege“ um Mittel aus dem Europäischen Sozialfonds bewarb. Das Projekt läuft von 2016-18 und soll Pflege im ländlichen Raum sichern helfen und setzt auf das Konzept aus den Niederlanden.

Gesellschaftlicher Wandel ist möglich

So viel Politiker reden darüber – und einige Pioniere machen einfach, wie hier im Bereich der Pflege beschrieben.
Das ist Wandel von unten.
Dieses Beispiel macht mir Hoffnung, dass es auch anders geht und dass eine Umgestaltung hin zu einer menschlichen Form des Arbeitens und Lebens in der Pflege und auch anderswo möglich ist.

Wie geht es dir?
Wo siehst du Notwendigkeit für einen Wandel?
Hast du Ideen oder suchst Unterstützung und Vernetzung?
Schreib gern etwas in die Kommentare dazu!

2 Kommentare Schreibe einen Kommentar

  1. Vielen Dank für Deinen Beitrag, Birte!
    Das ist ja eine gute Sache! Vor allem die Hilfe zur (späteren) Selbsthilfe finde ich prima! Und wie oft erschwert die Bürokratie, dass Patienten und Familienangehörige sich in der neuen Situation gut zurechtfinden.
    In Reutlingen gibt es die „Brückenpflege“. Sie hilft Patienten, die aus dem Krankenhaus entlassen werden, und ihren Angehörigen bei der Information und Organisation verschiedener Hilfen. Vor allem bei Patienten der Palliativmedizin leisten sie nicht nur Hilfe bei allen Bürokratiehürden, sondern helfen schnell und warmherzig!
    Das ist eine Erleichterung für die gesamte Familie, denn oft fühlt man sich in einer solchen Notsituation sehr unsicher und weiß garnicht, wie es weitergehen soll. Da ist es echt wichtig, auf offene Ohren und Herzen zu treffen!

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