Lass uns über Geld sprechen

Geld ist noch ein Tabu-Thema in unserer Gesellschaft. Dabei ist es so wichtig, dass wir mehr verstehen, was Geld für uns bedeutet und wie es funktioniert.

Meine These, die ich von Peter König gelernt habe: Geld ist eine große individuelle und kollektive Projektion. Es ist mit vielen Gefühlen und Bewertungen belegt. Geld ist nicht neutral oder einfach bedrucktes Papier.

Geld und die Wirtschaft würden normalerweise uns dienen, unserem Lebensfluss und dem der gesamten Schöpfung. De facto aber dienen wir der Wirtschaft und dem Geld.
Wir haben das Geld zwischen uns und das Leben gestellt.
Und das nicht in einer neutralen Rolle.
Und wir haben einen Glaubenssatz zum Naturgesetz gemacht:
„Ich brauche Geld zum Leben.“
Und an ihm hängt ganz viel dran:
„Ich kann meine Wohnung nur bezahlen, wenn ich …“
„Ich kann meine Kinder nur ernähren, wenn ich….“
„Ich kann nur reisen oder Schönes tun, wenn ich…“
„Wie soll ich denn sonst…“

Wenn du möchtest, dann wage mal mit mir ein kleines Experiment:
Was wäre, wenn wir uns sagen: „Ich kann gut leben – mit und ohne Geld“…?

In Deutschland lebte tatsächlich die frühere Psychotherapeutin Heidemarie Schwermer ab 1995 sechzehn Jahre ohne Geld, hielt auch Vorträge und schrieb Bücher. Und nach ihr kamen weitere, z.B. Carolien Hoogland und Raphael Fellmer .

„Ich gründete den Tauschring und merkte, man braucht gar nicht so viel Geld.
So kam ich auf die Idee, ein Jahr ganz darauf zu verzichten.
Dann merkte ich, das Leben wird viel spannender so. Schöner.“
Ulrike Schwermer

Sie zeigen uns, dass der Satz „Zum Leben brauchen wir Geld“ also kein physikalisches Naturgesetz ist…  Ich selbst merke, dass mein Denksystem sich weitet, wenn ich erkenne: „ah, es gibt einen Weg und es ist nicht so bedrohlich wie gedacht.“   Ob es dann mein Weg ist, ist eine andere Frage ;-)

Wenn ich andere Geld-Denkmuster anschaue, ist es schon leichter zu erkennen, dass Geld nicht so zwingend scheint wie zunächst gedacht: Zum Beispiel „Ich brauche Geld für Urlaub und zum Reisen“  – denn reisen ohne Geld ist fast zu einer breiteren Bewegung geworden: Couch-Surfing, Wohnungs-Tausch, wwoofing bzw. work and travel.
„Ich brauche Geld, um Schönes zu erleben.“ – Naja, es gibt auch viel Schönes ohne Geld zu erleben.

Je weniger existentiell unser Bedürfnis wird, desto leichter fällt es uns zuzustimmen, dass etwas auch ohne Geld möglich ist.
Nur den Kern unserer Existenz, unser (Über)Leben haben wir an die Existenz von Geld geknüpft – und somit an eine existentielle Angst, unsere Existenzangst.

Normalerweise schauen wir im Alltag genau in die Richtung der Angst: wir lassen uns davon leiten, ob wir einen Job annehmen oder eine Auszeit machen (können). Und oft ist unsere Grundstimmung vom Kontostand oder einer finanziellen Sicherheit abhängig. Bewusst oder unbewusst schauen wir immer in Richtung Geld.

Wenden wir doch einmal testweise unseren Blick in die andere Blickrichtung:
„Was willst du wirklich, wirklich gerne tun?“
Diese Fragen stellen wir uns im Alltag kaum in existentieller Hinsicht, weil das unrealistisch, utopisch, unüblich und gewagt erscheint – wenn wir in Richtung der Geld-Angst schauen. Erst kommt der Job oder die Sicherheit, der solide Plan mit Erfolgsaussicht, dann alles andere.

Diese grundsätzliche Frage, „Was ist es, das du wirklich, wirklich willst?“ hat Prof. Frithjof Bergmann in den 80er Jahren in der Autostadt Flint vielen Fließbandarbeitern gestellt, die aufgrund von Umstrukturierung arbeitslos wurden. Er hat dafür eigens „New Work Zentren“ gegründet. Die Firmenchefs fanden es abwegig, diese Frage an über Jahrzehnte vermeintlich „abgestumpfte“ Bandarbeiter zu stellen. Sie hatten Unrecht – Prof. Bergmann wurde der Begründer der New Work Bewegung.

„Das, was uns hilft, unser Leben nicht ungelebt verstreichen zu lassen, ist: genau das zu arbeiten, was wir wirklich, wirklich wollen.“
Prof. Bergmann

Jemand, der aus der alten Arbeit aussteigt, will vielleicht eine Zeitlang faulenzen und nichts tun, aber irgendwann wird das schal und er sucht seinen eigenen Weg. Es ist nicht nur immer nur Genuss, diesem Weg zu folgen, aber bedeutet dafür Lebendigkeit pur.
Es zeigte sich, dass es dafür vor allem eins braucht: Unterstützung. Denn unser „Organ“, das uns anzeigt, was wir wirklich, wirklich wollen und das uns genau das umzusetzen hilft, sei laut Bergmann in unserer heutigen Gesellschaft verkümmert.

Was will ich tun – mit und ohne Geld?
Ohne Geld, weil es ohnehin das ist, was ich für mein Leben gern tue. Oder was mir ohnehin ganz leicht fällt. Was ich ohnehin vielleicht ständig schon mache, z.B. anderen Tipps zur Ernährung geben.

Geld ist wie Noten, und es gibt ja auch Schulen ohne Noten. Und die Kinder lernen trotzdem, weil es ihnen Freude macht. So stelle ich mir das auch ohne Geld vor.
Ulrike Schwermer

Genau dort liegt der Bereich, der unsere Neue Arbeit werden will.
Wenn wir in diese Richtung schauen und dorthin gehen, dann gehen wir richtig. Allerdings mit der Angst stets im Nacken…. das ist das Zeichen, dass wir jetzt in die richtige Richtung gehen  ;-)
Wir gehen dorthin, wo wir etwas erahnen, wo wir etwas erforschen wollen, wo etwas ist, das uns interessiert – auch ohne Geld. Zunächst.
Wenn wir das Erahnte, die Sehnsucht als wertvoll wahrnehmen, wenn wir dem Wert geben, wenn wir das langsam, langsam wachsen lassen. – Es braucht sich nicht gleich zu messen mit dem was wir gewohnt sind, was Arbeit „bringen“ soll. Damit erdrücken wir diese Kostbarkeit in uns mit all der Angst, den gesamten Existenzsorgen, die unser Kopf produziert – oder unser gesellschaftliches Umfeld.
Wir gehen einfach weiter.
Ein Fließbandarbeiter, ein Schrauber, hat seine Liebe für Yoga und fürs Unterrichten entdeckt und später ein gut gehendes Yoga-Studio betrieben. Ein anderer hat gern geschrieben, zunächst für die Lokalzeitung, dann für eine überregionale, schließlich einen Bestseller. All das war bei den ersten Erkundungen und Schritten sicher nicht absehbar.

Was ist bei dir gerade dran? Was fasziniert dich – auch ohne Geld?
Wir schauen dann in eine Richtung, die in unserer Gesellschaft nicht „normal“ ist. Hol dir Unterstützung, um genau das zu tun. Unterstützung ist ein wichtiger Schlüssel auf diesem Weg.
Es ist der Weg, um aufzublühen und um später auf ein Leben zurückzuschauen, bei dem du dich nicht schon vorher innerlich abgemeldet hast, sondern lebendig geworden bist.
Davon kann uns ein Tabu um Geld doch nicht abhalten – das wäre viel zu schade drum ;-)

Du räumst das, was zwischen dir und deinem Leben steht, aus dem Weg: Das Geld und all das, was für dich da dranhängt.
Dann darf das Leben wieder Einzug halten. Und das Geld auch –  aber als das, was es ist: neutral, und nicht das Leben selbst.

Lass mich gern wissen, wie es dir geht auf diesem Gebiet, das wir uns erst langsam erschließen  ;-)

4 Kommentare Schreibe einen Kommentar

  1. Vielen Dank für Deinen erhellenden Beitrag!
    Es scheint mit dem Geld wie mit vielen Dingen zu sein: zuerst brauche ich ein Haus/ eine größere Wohnung/ ein neues Auto/ eine tolle Reise /Geld – und dann werde ich zufrieden sein!
    Dabei kann man am ehesten erkennen, ob man zufrieden sein wird, wenn man jetzt schon zufrieden ist oder eben nicht – ob mit oder ohne all diesen (sicherlich angenehmen) Errungenschaften.

    • Liebe Mirjam, ja, das bringt es auf den Punkt, was du schreibst: anstatt woanders hinzuschauen wende ich den Blick zurück zu mir.
      Wenn es sich dann eng, unangenehm, unzufrieden anfühlt, mir dann klarzumachen: welches Gefühl oder welcher Gedanke über mich ist das gerade, den ich mit einem Blick aufs Geld oder eine Sicherheit „bessern“ will. Denn das ist zwar sehr verführerisch und das, was üblich ist, aber nicht das, was es wirklich, wirklich bessert ;-)
      Danke für deine Zeilen hier! Herzlichst, Birte

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