Ich habe jahrelang in Tätigkeiten gearbeitet, die sehr spannend waren. Aber sie waren auch stressig.
Wenn ich ehrlich war, dann hätte mir 80% der To do´s genügt. Die Freude am Tun wäre dann größer gewesen – die anderen 20 % haben einen Beigeschmack mitgebracht. Eigentlich schade. Aber „zu viel zu tun“ ist heute oft die Arbeitsrealität.
Ich habe versucht, möglichst viel weg zu arbeiten oder zu delegieren, wann immer möglich. Auch habe ich von meinem Perfektionismus Abstand genommen. Das half ein wenig. – Aber manchmal kam noch eine größere Aufgabe oder etwas Dringendes hinzu.
Ich habe in solchen Momenten den inneren Pause-Knopf gedrückt.
Innehalten und die Tür nach Innen öffnen
Ich habe mich zurück gelehnt, mir Zeit genommen. Statt in mein Postfach zu schauen habe ich aus dem Fenster geblickt. Ich habe dann die Tür in mein Inneres geöffnet und hineingeschaut.
Innehalten. Aufrichten. Sich anlehnen. Ankommen. Luft holen. Den Blick heben.
Teilweise habe ich wahrgenommen, dass der Stress mich innerlich erstarren ließ oder mein Inneres sich wie betäubt anfühlte: Ich konnte mich selbst kaum mehr spüren. Es kam mir vor als liefe ich auf einem Teppich hin und her in all der Geschäftigkeit des Alltags. Und der Teppich – mein Inneres – lag einfach da – flach, platt und …nicht sehr lebendig
Ein anderes Mal kam es mir vor als sei eine große Unruhe in mir: mein ganzer Körper fühlte sich vibrierend an – das Gefühl von Stress füllte ihn ganz aus.
Nicht weg vom Stress, sondern innehalten, stehenbleiben und sich ihm ausliefern.
Das ist im ersten Moment paradox – und auch nicht so angenehm, könntest du denken.
Aber in Wahrheit sind „gute“ und „schlechte“ Gefühle vor allem eines: lebendig.
Jedes Mal brachte mich der Kontakt mit mir selbst und meinem Inneren wieder zu meiner Lebendigkeit.
Und es gibt sogar noch mehr gute Nachrichten
Mitten ins Feuer gehen
Wenn ich mitten ins Feuer meiner eigenen Unruhe ging oder mitten in das Gefühl der Leblosigkeit und einfach weiter atmete, mit einem Wohlwollen für das Gefühl und ihm erlaubte sich in mir auszubreiten, dann….blieb es eine Weile, füllte mich ganz aus….und wurde langsam, langsam immer weniger…
Die Yogis des alten Indien schon haben das „das Feuer des Herzens“ genannt: wenn wir mitten hineingehen in eine Emotion und einfach anwesend bleiben und nichts verändern wollen, nur wahrnehmen. Dann verbrennt das Gefühl im Herzen.
Der Verstand warnt
Der Verstand wird sich melden und fragen, ob das Innehalten produktiv sei – und dass es schließlich noch so viel Wichtigeres zu tun gebe.
Es ist der Wächter, der aufpassen möchte, dass wir nicht noch weiter ins Hintertreffen geraten.
Dabei: der Haupt-Auslöser von Stress ist nicht „viel Arbeit“ laut Forschung.
Die Gründe sind vor allem zwischenmenschliche und emotionale Faktoren wie
– fehlende Anerkennung
– Angst, Fehler zu machen und Angst, als überfordert dazustehen
– Unfairness (vom Betroffenen wahrgenommen)
– unterschiedliche Werte (Vorgesetzte/Auftraggeber/eigener Anspruch)
– Intransparenz
– fehlende Spielräume und Fremd-Steuerung
Balance herstellen
Was wir in einer stressigen Lebenssituation brauchen ist eine Balance zwischen dem produktiven Teil in uns, der tut und macht – und dem ruhigen oder gewährenden Teil in uns, der Dinge sich entwickeln lässt, ein Durcheinander erst zur Ruhe kommen lässt, Konflikte sich setzen lässt, einen Sturm im Postfach vorüberziehen lässt und der Phasen der Erholung kennt.
Das ist manchmal einfacher als gesagt.
Wie können wir eine solche Balance wieder herstellen?
Frag dich: was wäre jetzt gut, um eine stressige Situation für dich wieder „runder“ zu machen?Einfach mal früher nach Hause gehen zum Beispiel – trotz der vielen Dinge.
Oder „nein“ sagen zu der einen Anfrage, die abends noch reinkommt.
Oder ein Gespräch erbitten, um bisher Unausgesprochenes zu thematisieren.
Oder mit Kollegen sprechen wie sie die Arbeitssituation erleben.
Körperlich auspowern
Wenn wir dauerhaft unter Strom stehen braucht es zunächst keine Ruhe, sondern körperliche Aktivität, um die Adrenalin-Stresshormone wieder loszuwerden und um überhaupt in den Ruhe-Modus kommen zu können.
Auch das klingt paradox, denn wir fühlen uns ja oft schon sehr ermattet. Und dann sollen wir noch aktiv sein oder Sport machen?
Aber: wer es probiert merkt, dass der Körper doch noch Reserven hat. Und falls keine Zeit ist: Schattenboxen oder auf der Stelle joggen vor dem Schlafengehen ist besser als nichts ; -)
Und das Wichtigste
Um nicht in die innere Unruhe-Spirale zu geraten braucht es öfter Momente, in denen wir die Tür nach innen aufmachen und in denen wir eine Weile bei der Emotion, die wir vorfinden, bleiben. Ganz wohlwollend und mitfühlend mit uns selbst.
Lass deinen Körper weiter atmen – einen Atemzug nach dem anderen – während du das betrachtest und fühlst, was du hinter der inneren Tür findest.
Vielleicht bist du der oder die erste in deinem beruflichen Umfeld, der sich wirklich traut, diese innere Tür aufzumachen und stehenzubleiben!
Der ganz in diesem Gefühl aus dem Stress heraus präsent bleiben kann.
Dann bist du ein wirklicher Pionier.
Das ist der wichtigste Schritt.
Unsere Arbeitsbedingungen
Wir arbeiten oft in Rahmenbedingungen, die nicht sehr würdevoll für unser Herz sind. Unser Herz will nicht nur funktionieren, sondern dass wir als Mensch gesehen werden und uns entwickeln können. Dazu braucht es eine Atmosphäre, die das fördert.
Du bist vielleicht jemand, der das spürt. – Sei gut mit dir und dankbar, dass du diese Wahrnehmung hast!
Und dann immer wieder: tief durchatmen und Mensch sein.
Denn dazu sind wir hier